Immer wieder stelle ich fest, dass es
einigen scheinbar nicht leicht fällt, das landläufige „etwas
glauben“ und das glauben an einen „Glauben“ zu unterscheiden.
Bis heute gibt es einen
flächendeckenden Religionsunterricht in der Schule, welcher zum Teil
sogar von den Kindern konfessionsloser Eltern wahrgenommen wird
(werden muss). Und selbst wenn es ein neutrales Fach (Werte und
Normen oder so) gibt, findet da im Sinne der Toleranz eine mittelbare
Unterweisung pro Religion statt. Das heißt auch, die gesamte
erwachsene deutsche Bevölkerung die in der BRD zur Schule ging, ist
nachhaltig mit Glaubensinhalten (aller Art, aber vorwiegend
christlichen) konditioniert und kontaminiert worden. Auch wenn frau/man
im Erwachsenenalter beispielsweise die Kirche verlässt, erlebte ich oft, dass sich flux einem anderen Heilversprechen zugewendet wird.
So werden oft nur die Inhalte ausgetauscht, aber das „Glauben an
etwas“ wird dabei nicht aufgegeben.
Der Glaubensinhalt einer Religion liegt
in der Regel in einer Art Paralleluniversum neben unserer
'natürlichen' Welt und vermischt sich ständig mit unserem naturgemäßen Dasein. Allem was wir an ganz konkreten, leiblichen und
sinnlichen Erfahrungen in unserem Alltag machen, kann durch
theologische Vorgaben widersprochen werden. So kann eine eigentlich
schmerzvolle Erfahrung in ein übergeordnetes und daher
euphorisierendes Erlebnis umgewandelt werden, das aus einer wachen
Wahrnehmung in eine entrückte, manipulierte Gefühlswelt führt. Ein
Kind, dass schon früh lernt einem unsichtbaren Gott, der wiederum
alles sieht, gegenüber eine Demutshaltung einzunehmen, ist derart mit einer
eingebildeten Gefahr beschäftigt, dass die natürliche Wachheit der
sinnlichen Wahrnehmung manchmal für immer eingeschläfert wird
(das Kind fürchtet dann den unsichtbaren strafenden Gott mehr als z.B. einen realen
übergriffigen Erziehungsberechtigten).
Der strafende Gott ist heute zwar mehr denn je dem "liebenden Gott" gewichen, aber der Unterschied ist gar nicht groß wie manche meinen, denn der Gläubige soll diesem Gott nach wie vor mit Haut und Haar gehören. Die Bereitschaft in unserer Gesellschaft einem 'Glauben' anzuhängen (und wenn wir es hier nur mit Spielarten des aktuelle Mainstream zu tun haben) ist, so finde ich, grundsätzlich erschreckend hoch - mit anderen Worten - gut verinnerlicht. Wobei ich die Zuwendung zu einer 'atheistischen Religion' auch in dieser Tradition sehe.
Gott oder göttliche Wesenheiten sind
vor allem eine, der menschlichen Vorstellungskraft entsprungene Idee
und der Glaube innerhalb der verschiedenen Theologien ist nur eine
Ideologie. Die Vertreter der Ideologien verlangen von ihren
Anhängern, nicht nur das Glauben an ihre kreierte Idee im Rahmen der
vorgegebenen Parameter, sondern erwarten auch von den Gläubigen,
dass sie die Idee nicht hinterfragen und ihr Leben nach dieser
ausrichten, um neue Gläubige und Anhänger zu produzieren. Die
inzwischen recht säkulare Kultur des sogenannten westlichen
Abendland ist immer noch durchtränkt von christlichen Metaphern und
unterschwelligen Glaubenssätze. Es ist so was wie ein Tabu, 'nichts
zu glauben'. Eine Art höhere Instanz als tatsächliche bzw.
personelle göttliche Existenz vorauszusetzen hat den Status einer
anerkannten kollektiven Kulturleistung.
Allerdings glaube ich auch - so zum Beispiel, dass die Erde rund ist und mit dem Mond die Sonne umkreist. Oder
dass der patriarchale Mensch in seinem Technologiewahn die Erde
ruiniert - doch hier ist es weniger ein glauben, sonder eher
logisches Schlussfolgern. Es gibt trotzdem viele Sachverhalte, die
ich einfach glauben muss oder will, da ich sie nicht alle überprüfen
kann oder will.
Und darüber hinaus gibt es
allgemeingültige ethische Werte an die ich glaube (und sie anwende),
da sie sich auf das gedeihliche Miteinander beziehen und uns in den
natürlichen Kontext unserer Erdenexistenz einordnen.
Die patriarchalen Weltreligionen, die
einen gruselig hohen Anteil an monotheistischen Theologien aufweisen,
mögen vielleicht einmal als eine Art Verhaltenskodex für frühe
patriarchöse Gesellschaftsformen angefangen haben (siehe u.a. die 10
Gebote), aber die humanen ethischen Werte, die sich die moderne
Gesellschaft gerade wieder gegen religiös verquaste Vorstellungen
langsam erkämpft, sind so was wie ein Teil unseres artgerechten
Lebensstils und daher keine Neuschöpfung, sondern nur eine
Erinnerung ...
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