05 September 2015

Das bisschen Haushalt

 oder .... was brauchen wir für ein eigenes Leben?(Überarbeitung vom Sept. 2014)

Als Mutter von vier Kindern weiß ich noch zu gut, was ein halbwegs vernünftig geführter Haushalt für Arbeit macht und auch ich habe dereinst die meisten der Aufgaben, die in dem Sechs-Personen-Haushalt anfielen, neben teilweiser Berufstätigkeit, weitgehend allein wuppen müssen. Ich erinnere mich an jahrelanges ständiges Rotieren.
Das Grundproblem der heutigen Haushaltsführung – im 21. Jahrhundert und im westlichen Kulturkreis - liegt nicht nur in der abwertenden Sicht auf jede Form der Haus- bzw. Mutterarbeit, sondern auch, ganz pragmatisch gesehen, in der Verteilung der anfallenden Arbeit auf die vorhandenen hausarbeitenden Kräfte innerhalb der Durchschnittsfamilie.
Die heutige (Kern)Familie besteht im Idealfall aus zwei Erwachsenen (und mehr denn je aus nur einem) und irgendwann aus den (aber nicht immer, es gibt vermehrt Singlehaushalte) dazugekommenen Kindern. Wir haben es im westlichen Kulturkreis bekanntermaßen mit der Kleinfamilie zu tun – Vater, Mutter, Kind(er) - in welcher in der Regel auf weitere Angehörige verzichtet wird. Jede Form eines unmittelbaren generationsübergreifenden und kooperierenden Miteinander mit Angehörigen der eigenen (Mutter)Sippe ist die (fast schon tabuisierte) Ausnahme.
Auf Grund eines imaginären und rein ideologischen Mainstream-Codes lösen sich, eingedenk diverser und allgegenwärtiger Parolen, junge Leute so früh wie möglich aus ihren Herkunftszusammenhängen. Und die derzeitige Älterngeneration beginnt bereits ab der Geburt eines Kindes in vorauseilendem Gehorsam ihm die gern zitierten Flügeln zu geben, manchmal noch bevor es die notwendigen Wurzeln bekam.
Diese allseits akzeptierte Befolgung der modernen ideologischen Dogmen bringt Mütter dazu, beinahe klaglos ihre großen aber durchaus noch nicht erwachsenen Kinder ziehen zu lassen und dabei jeden (menschenartgerechten) Schmerz über das verlorene Kind zu leugnen oder ihn sich gesellschaftskonform schön zu reden.
Dabei werden in fantasievoller Art für die Zukunft Chancen und Vorteile beschrieben, die sich durch die, oft rigorose Trennung für beide einstellen würden. Jede tolle Utopie wird beschworen, nur der Erhalt der artgerechten Nähe sollte darin nicht vorkommen. Diese kollektiv beschworenen Vorteile münden in der konditionierten Vorstellung: „...endlich das eigene Leben leben zu können...“ - als hätte mann, frau bzw. kind das vorher nicht gekonnt. Es existiert die lächerliche Überzeugung, dass im Kreis von Bindungsangehörigen kein „eigenes“ Leben möglich sei.
Der moderne Mensch versucht krampfhaft, seinen angeborenen Drang zur Bindungsnähe zu überwinden und eine Art unabhängiges Individuum zu werden. Was für den Menschen als Lebewesen ebenso keinen Sinn macht, wie für jedes andere Naturwesen.
Das Drama dieses Bestrebens besteht in dem Zwang die natürliche Abhängigkeit von der vertrauten Bindungs- und Nähegruppe der Fürsorgegemeinschaft gegen die fremde und generell wenig wohlmeinende Abhängigkeit einer anonymen Großgesellschaft einzutauschen.
Der künstlich geschaffene Bedarf von "totaler individueller Freiheit" stützt sich in unserer Mainstreamkultur auf eine merkwürdige Devise: nur die Liierung mit einem außenstehenden, also bislang fremden, Lebenspartner ermöglicht uns ein eigenes und erfülltes Leben zu führen!
Aber selbst zu diesem Phänomen, das wir als die große und möglichst romantische Liebe kennen, gehört immer und ganz pragmatisch auch ein Haushalt - der Ort an dem der existenzielle und ganz und gar praktische Alltag bewältigt werden muss.
(Fast) alle jungen Frauen und Jung-Männer lernen früher oder später selbst einen Haushalt zu händeln und ich kenne einige, die machen das im Alleingang richtig gut. Während der Studien- oder Lehrzeit „üben“ manche in einer WG oder ziehen mit Freund oder Freundin zusammen. Meine beiden ältesten Enkel - Schwester und Bruder - haben eine Geschwister-WG gegründet.
Aber auch ein Einfrau/Einmann - Haushalt ist zwar auch in unserer Zeit an manchen Stellen eine gewisse Herausforderung, aber durchaus zu schaffen.
(Da gibt es diese Mac Donald – Werbung in der eine Mutter wohlmeinend in der WG ihres Sohnes mitgebrachtes Essen in der Küche abstellt und ihm das telefonisch mitteilt. Worauf dieser, während er in einen Burger beißt, nachdenklich seine Kumpels fragt: „Wir haben eine Küche?“)
Heutzutage ist es so, dass die anfallende Arbeit im Haushalt auf ein Minimum beschränkt und zum Teil outgesourct werden kann. Der Aufwand an Hausarbeit ist mit dem persönlichen Anspruch und einem Zeitfaktor gekoppelt.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist fast jeder heranwachsende Mensch (das Kind) in der Lage im Rahmen der vorhandene Ressourcen sich selbst zu versorgen und dabei lernt das größere Kind quasi nebenbei auch die Hausarbeit innerhalb seiner kulturellen Parameter kennen.
Hausarbeit, das ist die, die Existenz erhaltende und sichernde, Arbeit in der eigenen Niederlassung. Aber so oder so, in den heute tausendfach vorhandenen privaten Haushalten pflegen sich in der Regel früher oder später die hausarbeitenden Mitglieder auf maximal zwei verantwortliche Erwachsene einzupegeln.
Gewisse gesellschaftliche Rollenvorgaben tradieren noch immer die 'Hausfrau', da die Frau, meist in ihrer Eigenschaft als Mutter, auch heute aus vielerlei Gründen und anerkannter Weise mehr Zeit als der Mann im Familienhaushalt verbringt. Schnöde Hausarbeit ist für den Durchschnittsmann nach wie vor ein eher unattraktives Szenario. Die heutige Frau wehrt sich, am Herd angekettet zu sein; sie zerrt seit etlichen Jahrzehnten an diesen imaginären Ketten. Die brave Fünfziger-Jahre–Hausfrau (bei der es sich auch eher um einen Mythos handelt) ist schon lange out. Frau möchte gesellschaftliche Teilhabe, Beruf und Karriere und dabei aktive mitmenschliche Nähe. Nichts ist für einen (weiblichen) Menschen weniger artgerecht als ein Leben in einer gewissen Isolation zu fristen und das auch noch weitgehend fremdbestimmt (isolierte Weiblichkeit ist nicht artgerecht und kann sich für die einzelne Frau wie Folter anfühlen). Aber wie auch immer, den Haushalt wird sie trotzdem nicht los, genauso wenig wie der Mann - jedeR Mensch hält sich immer in irgendeinem Haushalt auf. Das private Refugium, in dem der Rückzug von der Arbeitswelt stattfindet, wird als 'unser Haushalt' definiert.

Seit der Zeit, da die martifokalen Fürsorgeemeinschaften in bewusst eingerichteten Lagern und Behausungen ihren Alltag gemeinsam verbrachten, wurde alle anfallende Arbeit gemeinsam verrichtet, um die Gruppe der konsanguin lebenden Angehörigen zu erhalten und um den Nachwuchs menschen-art-gerecht aufwachsen zu lassen. Das hat jedenfalls einst über den langen Zeitraum viele Jahrtausende gut geklappt, denn sonst wüssten wir heute nicht was Zufriedenheit, Wohlbefinden, Glück und zugeneigtes Miteinander bedeutet. Es liegt in unseren "Genen" in einem vertrauten Miteinander auf gemeinsamer Haushaltsbasis Lebenszeit zu verbringen. Unsere Urahninnen erfanden den Haushalt und entwickelten ihn weiter! Seitdem ist diese menschliche Lebensbasis die Grundlage des gesamten Wirtschaftens. Daher mahnen auch immer mehr Denkerinnen an, unsere Weltwirtschaft als einen großen Haushalt anzusehen, was er de facto nun mal ist. Gut haushalten, gut wirtschaften zu können mutet uns allerdings nicht nur als unerfreuliche Arbeit an, es ist auch eine Kunst und hier kommt Kunst direkt von 'Können'. Eine reibungslose und alles Notwendige beinhaltende Haushaltsführung ist ein beachtliche Leistung.
Die Menschheit wuchs also in einem "Haushalt" heran auch wenn es damals noch keine Häuser gab. In den Habitaten der fürsorgenden (Mutter)Gemeinschaft entwickelte sie alles, was die intelligente Mensch ausmacht und zwar unter der Prämisse dem Nachwuchs Schutz, Sicherheit und gutes Gedeihen zu ermöglichen.

In jenen Zeiten kannte niemand die unnatürliche Trennung von „wertvoller“ Arbeit außerhalb des Hauses und „niedrigen“ Arbeit im Haus - jede Tätigkeit war unmittelbar auf das aktuelle kollektive sowie individuelle Wohlergehen in der vorhandenen Nähegemeinschaft ausgerichtet.
Die heutige Wertschätzung oder genauer, die Abwertung der lebenserhaltenden Haus- und Umgebungsarbeit ist immer noch an den (gesellschaftlichen) Status der Frau gekoppelt und der besagt nunmal Frauenarbeit als unwichtig oder wertlos anzusehen.
In der frühen artgerechten Matrifokalität war die Mutter und ihre Töchter die Mitte der naturgemäßen Fürsorgegemeinschaft und der Mann als Sohn und Bruder in Matrilinearität, in dieser fest eingebunden, also selbstverständlich integriert. Das ist unsere menschliche Natur und zu dieser menscheneigenen Überlebensstrategie gehörte die unerlässliche stetig kultivierte Alltagstätigkeit als eine weitere Überlebensgarantie. Dieser tatkräftige, innig gelebte Lebenserhalt war ein einheitlicher Komplex ... bis zum patriarchalen Umbruch. Ab da partipzierten Herrscher(cliquen) von der Sklavenarbeit, die anderen auferlegten. Die üblichen (Überlebens)Tätigkeit für jederman wurde zwar nicht ganz abgeschafft, denn sonst hätten die Autokraten ja die Verantwortung für alles übernehmen müssen. Jede Art von Arbeit wurde durch das entstehende androkratisch-patriarchale System bestimmten Nützlichkeitsprinzipien unterworfen.
Das naturgemäße innergemeinschaftliche (Über)Lebensgefüge wurde nach und nach zu der, heute als Haushalte bekannten, Reproduktion- und Regenerationsstätte für die immer kleiner werdenden Gruppierungen, die als Familien nicht mehr in Matrilinearität lebten.  Die den Frauen zugeordnete Hausarbeit geriet dabei in den nachhaltigen Zustand der Geringschätzigkeit. Daher wäre es dringend angesagt, die absonderliche harte Trennung zwischen anerkannter (Geldwerter) Erwerbsarbeit und dem geschmähtem 'Weiberaufenthalt am heimischen Herd' nicht nur schleunigst zu überdenken, sondern jede Art der Caretärigkeiten als essentielle Lebensarbeit in jeder Hinsicht anzuerkennen.


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